Klasse Karen Pontoppidan  |  Raum A.U1.28-35, unter der Treppe  |  https://www.instagram.com/_kanako._ebisawa._/

 

Holding for Nothing
Kanako Ebisawas Arbeiten zur Idee der Leere


Das Nichts zu denken ist eine große Herausforderung. Im Abendland gibt es die alte Angst vor der Leere, horror vacui; umgekehrt wird die Leere in der asiatischen Kultur aber ein Ort der Gelassenheit gedacht. Die Arbeiten von Kanako Ebisawa sind konzeptuelle und emotionelle Beschäftigung mit diesem ambivalenten Begriff der Leere. Die neue Serie “Singing in the Void” besteht Anhängern aus halbdurchsichtigem Recycle-Glas, ihre Form ist von Graldarstellungen inspiriert. Dabei ist der Gral das wohl symbolschwerstes Gefäß aus der europäischen Tradition, das allerdings selbst leer sein muss, um göttliches Leben empfangen zu können. Die Konstellation der Anhänger verrät eine weitere Sinnebene als Vexierbild: Die Zwischenräume zwischen den einzelnen Anhängern erscheinen eigens als Gefäße. Dieser negative Leerraum ist zugleich Kompensation und Vollendung des materiellen Schmuckstücks, das Nichts singt. Die Begriffe von leer und voll, positiv und negativ gehen so ineinander über, sie werden als Einheit gedacht. Die Verbindung zwischen dem Konzept der Leere und dem Format des Schmuck lässt das Zwischenmenschliche als ein möglicher Ort der Leere. Das Nichts zwischen uns Menschen ist aber nicht ein abstoßendes Vakuum, sondern ein Freiraum, der dem anderen zur Teilnahme überlassen wird. In der Serie “Niche” sehen wir einen solchen Akt der einladenden Leere: Der konkave Raum entsteht dadurch, dass das Gefäß – hier Eierbecher – zerlegt und neu komponiert wird. Das eigene Selbst wird geöffnet, um anderen ein Ort zum Verweilen zu werden. In der Videoarbeit “Feed” sehen wir einen schwarzen Teller, der mit verschiedenen visuellen “Feeds” aus den sozialen Medien gefüttert wird. Ein Gefäß, das nie leer ist: Darin erkennen wir uns wieder, geplagt von Fülle und Überfülle von Informationen und Bildern. Die Leere widerspiegelt sich in der Unmöglichkeit, außerhalb aller Bildströme einmal ruhen zu können.


Text von Sool Park

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