So wurde Caillois‘ Konzept der Mimese von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer in Die Dialektik der Aufklärung (1944) mit dem Todestrieb bei Sigmund Freud in Verbindung gesetzt. Im Briefwechsel zwischen Adorno und Walter Benjamin findet Caillois mehrfach eine ambivalente Erwähnung: besonders Adorno zeigt sich einerseits von seinem Mimesis-Begriff und der Engführung von Biologie und Ästhetik fasziniert, beide bezeichnen aber andererseits seine Interpretation des Mythos als „krypto-faschistisch“. Auch Jacques Lacan bezieht sich verschiedentlich in wichtigen Schriften, etwa zum Spiegelstadium oder zum Blick, geradezu emphatisch auf Caillois. An diese Lektüre schließt wiederrum Rosalind Krauss in ihren bildwissenschaftlichen Untersuchungen an und legt sie ihrer Perspektive auf einen anderen, nicht-bretonschen Surrealismus zugrunde.
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Der Workshop untersucht ausgehend von diesen ideengeschichtlichen und zeithistorischen Beziehungen sowohl jene Verbindungen zwischen Biologie und Ästhetik, die Caillois selbst unter dem Schlagwort einer „diagonalen Wissenschaft“ in seinem Denken zieht, als auch jene Rezeptionslinien, die sich aus seinem Werk heraus entfalten, seien diese psychoanalytischer, bildwissenschaftlicher oder medienphilosophischer Art. Der Workshop schlägt vor, sich dem Denken Caillois‘ nicht nur über dessen Texte, sondern gerade über dessen intellektuelles und zeithistorisches Milieu zu nähren. Damit soll nicht die Analyse einzelner Arbeiten Caillois‘ im Vordergrund stehen, sondern stärker deren kritische, oftmals gescheiterte, teilweise euphorische Rezeption und damit ihre Funktion in einer ästhetisch-politischen Theoriegeschichte, die von den 1930er Jahren bis heute andauert.
Programm:
Montag, 27.04.20
14:00-14:30
Maria Muhle München
Begrüßung und Einführung
14:30-15:45
David Quigley Stuttgart
„La poésie n’a pas droit à l’autonomie“: Constructing Reality in Literature, Art and the Experimental Humanities
16:15-17:30
Nadine Hartmann Weimar
Außer-sich-sein: Verausgabung und Selbstaufgabe bei Bataille und Caillois
17:45-19:00
Gleb Albert Zürich
Linke Intellektuelle in der 'Mitternacht des Jahrhunderts': Zwischen Exil und Volksfront, Antifaschismus und Terror, Hitler und Stalin
Moderation: Friedrich Balke Bochum
Dienstag, 28.04.20
10:00-11:15
Samo Tomšič Berlin
Objektiver Schein, produktive Mimesis: Lacan mit Caillois
11:30-12:45
Jule Govrin Freiburg
Thanatos und das Anti-Soziale: Der Todestrieb als iterativ-disruptive Kraft des Politischen
14:00-15:15
Stephan Gregory Weimar
Mit der linken Hand: Gemeinschaft und Verrat bei Bataille, Caillois und Genet
15:15-16:00
Sebastian Althoff München
Zusammenfassung und Abschlussdiskussion
Moderation: Jenny Willner München