Care oder Fürsorge ist in heutigen Diskussionen – nicht nur in der feministischen Theorie, sondern auch in ökologischen Ansätzen, im Zusammenhang mit dekolonialem Denken oder auch im Kontext kapitalismuskritischer Ökonomien – eine zentrale Figur, der ein transformatives, gar utopisches Potential zugeschrieben wird: Die Instituierung einer „Caring Economy“ soll die Kälte des Marktes überwinden, die Entwicklung einer „Caring Democracy“ dem Formalismus der repräsentativen Demokratie entgegen stehen; die Klimakatastrophe soll dadurch abgewehrt werden, dass wir einen fürsorglichen Umgang mit nichtmenschlichen Formen des Lebens erlernen, und die patriarchale Form der Familie soll durch freie und offene Verbindungen unbegrenzter Fürsorge ersetzt werden – um nur einige der Diskussionsstränge der letzten zwanzig Jahre zu nennen.
Doch was heißt überhaupt Fürsorge oder Care? Wie muss dieser Begriff bestimmt werden, damit er solchen Hoffnungen auf ein kritisches oder transformatives Potential der Fürsorge tatsächlich gerecht werden kann? Und welche Praktiken können zu einer solchen Bestimmung inspirieren? Mit dem geplanten Workshop soll diesen Fragen nachgegangen werden. Dem liegt die Intuition zugrunde, dass es für einen produktiven Umgang mit dem Versprechen der Fürsorge notwendig ist, diesen Begriff nicht einfach zum Platzhalter für die Vorstellung von besseren Verhältnissen zu erklären, sondern sich präzise und kritisch mit den Ambivalenzen und Fallstricken der Fürsorge auseinanderzusetzen. Viele dieser Ambivalenzen sind bereits in frühen feministischen Diskussionen um Care Ethik herausgearbeitet worden: Zu nennen wären etwa die Gefahren, die sich aus der Asymmetrie zwischen einer fürsorgenden und einer umsorgten Seite ergeben; der genuine Partikularismus darin, dass nicht für alles und alle gleichermaßen gesorgt werden kann; oder auch die implizite Reproduktion der Geschlechterrollen, die dem Ideal der fürsorglichen Mutter – als der Subjektivität der Fürsorge – zugrunde liegen.
Anknüpfend an diese und weitergehende Bedenken soll im Workshop untersucht und diskutiert werden, wie genau solche „Ambivalenzen der Fürsorge“ zu beschreiben und zu verstehen wären, wie mit ihnen umzugehen ist und wie weit bzw. in welcher Hinsicht genau (und in welcher nicht) der Begriff der Fürsorge für feministische, ökologische oder ökonomische Diskussionen fruchtbar gemacht werden kann. Dazu sollen verschiedene Ansätze miteinander ins Gespräch gebracht werden, die aus je unterschiedlicher Perspektive und mit je unterschiedlichen Anliegen an den Ambivalenzen von Fürsorge oder Care arbeiten oder auch an der Entwicklung eines Begriffs von Fürsorge beteiligt sind, der sein Potential aus der Arbeit an diesen Ambivalenzen gewinnt.
Der Workshop findet im Rahmen des Semesterprogramms „Between Care and (Pro)Creation. Zu dem Ambivalenzen von Fürsorge und Mutterschaft“ von Mascha Salgado de Matos, Sabine Weingartner und Marina Martinez Mateo statt.
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