GIVING WOMAN TO ECHO
In Ovids Metamorphosen wird die Bergnymphe Echo von Juno verflucht nur die von anderen gesprochenen Worte zu wiederholen. Eine Strafe dafür, dass sie die Göttin abgelenkt hat, während Jupiter seiner Untreue nachging. Als Echo sich in Narziss, einen schönen, aber selbstsüchtigen Jüngling, verliebt, beschränken sich ihre Bemühungen, ihre Gefühle auszudrücken, tragischerweise darauf, seine Worte zu wiederholen.
Narziss, der in sein eigenes Spiegelbild vernarrt ist, weist sie zurück und Echo verkümmert mit gebrochenem Herzen, bis nur noch der Klang ihrer Stimme übrigbleibt. Ihre Knochen, so heißt es, wurden in Stein verwandelt.
Leontine Koehn nähert sich der Nymphe Echo auf verschiedenen Wegen an.
Echo wird als Viele dargestellt. Sie steht für eine Allegorie der weiblichen Sprachlosigkeit und Marginalisierung. Ein Symbol der unterdrückten Stimme durch patriarchale Vereinnahmung. Auf Echo wird ein weiblicher Blick geworfen, um sie nicht zur Zielscheibe männlicher Lust zu machen. Im Park Buttes Chaumont (Paris) haben sich die Bergnymphen eingenistet. Die verschiedenen Echos werden zu einer Bande. Einem starken Gespann, die sich gegenseitig zuhören, emphatisch, sensibel sind und gleichzeitig eine Kraft ausstrahlen. Die Geste eines respektvollen Zuhörens ist dabei zentral.
Die Video-Installation „Giving Woman To Echo“ besteht aus Film, Klang und bildhauerischen Elementen. Der Sound und die drei Filme werden im Loop abgespielt und finden durch ihre verschiedenen Längen an unterschiedlichen Stellen wieder zusammen. Jede Betrachter_in wird dadurch eine Variante der Installation erleben. Koehn hat für den Sound mit Derya Atakan (Opernsängerin) und Nico Sauer (Komponist) zusammengearbeitet. Atakans „Quid mi fugis“ - „Warum fliehst Du vor mir“, wird anklagend, trauernd, neugierig, wütend, überrascht wiederholt und begleitet die gesprochenen und gesungenen Textfragmente.
Im Text selber tauchen autofiktive Passagen auf, die in Zitate und Informationen eingebettet sind. Die Schaukästen, in denen zwei kürzere Video-Arbeiten gezeigt werden, sind mit dem Bild-Archiv der Recherche für den Film tapeziert. Die Keramiken sind in Anlehnung an die künstlichen Höhlen, falschen Felsen und Baumstämme, Zement-Grotten, welche sich am Drehort Buttes Chaumont befinden, entstanden.