Klasse Olaf Nicolai  |  Raum Altbau | A.U1.22 - Papierwerkstatt  |  Website öffnen

 

Die Brennessel – oft als brennendes und juckendes Unkraut verkannt – ist eine Pflanze von außergewöhnlicher Widerstandsfähigkeit und Vielseitigkeit. Obwohl ihre Fasern bereits seit Jahrhunderten verwendet werden, erfährt sie erst seit kurzem eine Renaissance im Zuge der Suche nach nachhaltigen Materialien. Ihre Fasern sind nicht nur biologisch abbaubar, sie zählen auch zu den stärksten der Welt. Ohne künstliche Bewässerung und Düngemittel gedeiht die Brennnessel fast überall. Sie symbolisiert damit eine nachhaltige Alternative zu konventionellen Rohstoffen und wird nicht nur in der Textilindustrie, sondern auch in der Verpackungs- und Automobilindustrie, z.B. als Innenverkleidung für Fahrzeuge, eingesetzt. Die Brennnessel fungiert nicht nur als eine materielle Ressource, sie ist zudem eng mit kulturellen und rituellen Praktiken verknüpft. Da sie einen hohen Stickstoffgehalt im Boden benötigt, ist ihre Verbreitung eng mit menschlicher Tätigkeit und Siedlungsaktivität verbunden – etwa auf Schuttplätzen, Friedhöfen oder an Zäunen. Ihre daraus resultierende, enge Verbindung zu „Übergangsorten“ ließ sie als Brücke zwischen Diesseits und Jenseits erscheinen. Sie gilt als Schutzpflanze, als magisches Amulett gegen Unheil und wurde als solche auch eingesetzt – widerstandsfähig, beinahe unzerstörbar.


In meiner künstlerischen Forschung habe ich mich über drei Jahre hinweg mit der Brennnesselfaser auseinandergesetzt – nicht als „totes“ Material, sondern als Dialogpartnerin. Für meine Skulptur habe ich 17 Kilogramm Brennnesselfasern über verschiedene Materialzustände hinweg mit dem Papierholländer transformiert. Die Brennnessel entzieht sich dabei zu einem gewissen Grad der Formgebung – sie bleibt eigenständig, widerspenstig, lebendig. In der Skulptur wird dieses Wechselspiel von Gestalt und Auflösung, von Festigkeit und Vergänglichkeit sinnlich erfahrbar.


Die Mehrkanal Soundinstallation lässt die Brennnessel selbst zu Wort kommen. Der Pianist Nikolaus von Bemberg bespielte die Brennnesselskulptur und komponierte zusammen mit der Soundkünstlerin Marija Margolina die zu hörenden Frequenzen. Der Sound kann als akustisches Zeugnis unserer Begegnung angesehen werden in der sich die Pflanze über ihre physische Beschaffenheit hinaus ausdehnt.

 

 

Instagram: @mariella.maier 

 

Poster

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