STAMINA untersucht Aspekte der Geduld, Potentiale des technischen Fortschritts und die darin enthaltene Rolle des Menschen. Indem moderne Naturfotografie und mythologische Elemente in einen neuen Dialog treten, werden die Erscheinung und die Praktiken moderner JägerInnen zentral verhandelt.
Im 19. und 20. Jahrhundert, durch Fortschritte in der Fototechnik und dem Aufkommen von Teleobjektiven, entwickelte sich die Naturfotografie zu einer legitimen Alternative zum Jagdsport. Das wachsende Bewusstsein für Umweltfragen und die Einführung von Naturschutzgesetzen bewirkten den Wandel von der Trophäenjagd zu einer fotografischen Auseinandersetzung mit der ungezähmten Natur. Die genderspezifische Erscheinungsform der sitzenden Figur zieht eine Verbindung zu der in Matthew Barneys Redoubt (2018) inszenierten Jägerin, die, von Anette Wachter, einer prominenten Persönlichkeit des Gewehrsports und der NRA, gespielt, als kontroverse Schützin die mythologische Jägerin Diana verkörpert. Ihre Besetzung löst einen Dialog über den Zusammenhang von Geschlecht, Mythos, Politik und Stereotypen der Macht aus und zementiert dabei unter anderem die Verbindung von Weiblichkeit mit der ausdauernden Geduld und Entschlossenheit, wie sie bei der Jagd wie auch in der Naturfotografie unabdingbar sind.
Während die hybride Figur - eine Harpyie mit vogelartigen Krallen, platinfarbenem Haar und Stiletto-Nägeln - das mythologisch romantisierende mit dem zeitgenössisch ironischem zu vereinen versucht, werden moderne Bilderzeugungsverfahren mit der Vorbereitungsarbeit der Naturfotografie hinsichtlich zu erwartender Stereotypen und der Erwartungen an sie vorgeführt. Harpyien treten in der griechischen Mythologie als passive Figuren auf, die in dienender Funktion am Rande der Geschehens existierten. Die weibliche Figur in STAMINA agiert als ermächtigte Protagonistin, die ihren Blick und ihre Umgebung als überwachende Beobachterin kontrolliert und durch die Evolution der “Jagd“ die Verschiebung der traditionellen Rollen, Erzeugnisse und Absichten, im Mythos wie auch in Realität, die in Bilderzeugungsprozessen eingeschriebenen Stereotypen in Frage stellt. Die wie eingefroren wirkende Rahmung der Baumkronen und Wolkenkratzer durch das Fenster ermöglicht, wie als klassisches Landschaftsmotiv, den kontrolliert durchbohrenden und wachsamen “Blick“ der davor sitzenden Figur.