6. Vortrag | Exzess, Gender, Rassifizierung | Di |10.12.2019
Luiza Prado de O. Martins, Amber Jamilla Musser
Das Panel mit dem Titel „Exzess, Gender, Rassifizierung“ bestreiten die US-amerikanische Wissenschaftlerin Amber Jamilla Musser und die brasilianische Künstlerin und Forscherin Luiza Prado de O. Martins.
In ihrem Vortrag „Excess/Brown Jouissance“ untersucht Amber Jamilla Musser, wie im Kunstfeld bestimmte Körper – insbesondere die schwarzer und brauner Frauen und Mädchen – „unsichtbar“ erscheinen oder gemacht werden. Gleichzeitig diskutiert Musser, wie künstlerische Positionen versuchen, diese Unsichtbarkeit zu unterlaufen. Dabei zeigt sie auf, wie Rassifizierungen als Spektakel missbraucht werden und wie die Weigerung, sich nicht als ‚exotischer’ Körper zu präsentieren, als eine Strategie des Widerstands eingesetzt werden kann. In diesem Zusammenhang kommen auch Stereotype über nicht-weiße Körper zum Ausdruck und wird die Analyse des Exzessiven aus dem Visuellen ins Feld der Performance und des Sounds/der Geräusche erweitert.
Prado de O. Martins legt in ihrer Präsentation den Schwerpunkt auf ihr künstlerisches Forschungsprojekt „A Topography of Exzesses“. Darin analysiert sie, wie eurozentristische Zuschreibungen von Exzessen an die Körper, das Wissen und die Subjektivität marginalisierter Menschen mit dem Kolonialismus und der Gewaltausübung gegen Indigene verbunden sind. Ihre konkrete Fallstudie sind westliche Technologien der Geburtenkontrolle, die koloniale Prozesse von Rassifizierung und Geschlechterdiskriminierung reproduzieren. Die Künstlerin plädiert für eine Erweiterung des historischen Kanons, um solche kolonialen Narrative zu untergraben, und stattdessen Vorstellungen von „radikaler Fürsorge“ zu fördern und das Wissen indigener und marginalisierter Gruppen stärker mit einzubeziehen.
Amber Jamilla Musser ist Außerordentliche Professorin für Amerikastudien an der George Washington University und forscht an der Schnittstelle von Ästhetik, Rassifizierung, Gender- und Sexualitätsstudien. Musser hat zahlreiche Publikationen in den Feldern kritische Theorie, queerem Feminismus, Rassifizierung, Sexualität und Queer-of-Colour-Kritik veröffentlicht, u.a. ihre Monographie Sensual Excess: Queer Femininity and Brown Jouissance (New York University Press, 2018).
Luiza Prado de O. Martins ist Künstlerin und Forscherin und hat an der Universität der Künste Berlin promoviert. In ihrem Werk beschäftigt sie sich mit der materiellen und visuellen Kultur aus der Perspektive dekolonialer und queerer Theorien, u. a. untersuchte sie Technologien und Praktiken der Geburtenkontrolle und deren Verstrickungen in kolonialen Hierarchien. Prado de O. Martins ist Gründungsmitglied des Decolonising Design-Kollektivs und des Forschungsduos A Parede.
Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt. An die Einzelvorträge schließt eine moderierte Diskussion an.
Alle Termine der Vortragsreihe s.u.
Mit seinem achten Jahresthema untersucht das cx centrum für interdisziplinäre studien den Exzess als unverkennbares Merkmal unseres neoliberalen Wirtschaftssystems, adressiert jedoch auch positive Aspekte entgrenzender Ausschweifungen, die als Verweigerung rationaler und ökonomischer Verwertungsstrategien verstanden werden können.
Die internationale Vortragsreihe, die das neue Jahresthema eröffnet, vereint künstlerische, gestalterische und wissenschaftliche Ansätze, die sich mit exzessiven Prozessen und Verhaltensformen sowie deren Folgen beschäftigen. Sie diskutiert die Überforderung des Einzelnen durch ständige Vernetzung, Informationsüberflutung und Selbstoptimierung und setzt sich mit der kulturellen Verwaltungsproblematik unmäßig angesammelter Dinge auseinander. Sie analysiert darüber hinaus das komplexe Verhältnis von Überfluss und Knappheit, beleuchtet mögliche Auswege aus den Wachstumsexzessen sowie die Potentiale ekstatischer Überschreitungen.
Das Exzessive scheint dem Kapitalismus inhärent. Letzterer setzt bekannter Maßen auf Wachstum, das durch die Beförderung stets neuer Begehren und eine steigende Nachfrage garantiert werden soll, und tendiert zur chronischen Überproduktion. Die dekadente Wucherung der Dinge und Effizienzoptimierung von Körpern finden ihre Entsprechung in der gegenwärtigen exponentiell ansteigenden Zirkulation von Informationen, Daten und Affekten durch die digitalen Kommunikationstechnologien.
In medialen Exzessen ringen Botschaften um Deutungshoheit und die Aufmerksamkeit ihrer Adressat_innen und setzen in diesem Kampf eine Eskalation weiterer subtiler Dynamiken der gegenseitigen Übertrumpfung in Gang. Als Folgen solcher Exzesse diagnostizieren Wissenschaftler_innen und Künstler_innen immer häufiger Zustände von Überforderung und Erschöpfung, die nicht mehr nur auf das Individuum und den Körper bezogen sind, sondern angesichts versiegender Energiequellen sowie der Zerstörung und Vermüllung der Erde mittlerweile als planetarische Phänomene verstanden werden können. In künstlerischen und wissenschaftlichen Disziplinen zeichnen sich jedoch auch erste Exit-Strategien ab.
Dabei scheint nicht zuletzt überprüft zu werden, inwiefern dem Exzessiven selbst die Möglichkeit der Widerständigkeit innewohnt.
Vortragsreihe des cx centrum für interdisziplinäre studien Akademie der Bildenden Künste München in Kooperation mit dem Rachel Carson Center for Environment and Society, LMU München WS 2019/20
Weitere Termine:
Dienstag 29.10.2019: Konsum als Obsession
Gerda Reith, Ashkan Sepahvand
Mittwoch 20.11.2019: Exzess als kapitalistisches Prinzip
Vandana Shiva
Dienstag 26.11.2019: (Im)Materialien der Exzesse
Hans Block, Moritz Riesewieck
Dienstag 03.12.2019: Zu viel Zeug? / Too much stuff? | Sharon Macdonald
Dienstag 10.12.2019: Exzess, Gender, Rassifizierung
Luiza Prado de O. Martins, Amber Jamilla Musser
Mittwoch 08.01.2020: Exzess und Ekstase
Gisèle Vienne, Jules Evans
Donnerstag 23.01.2020: Überfluss und Knappheit
Daniel Fernández Pascual und Alon Schwabe, Jeremy Till
Vorangegangene Termine:
23.10.2019 | Exzess und Entwertung | Excess and Devaluation
Silvia Federici ist eine langjährige feminstische Aktivistin, Lehrerin und Autorin. Sie gehörte 1991 zu den Gründungsmitgliedern des Committee for Academic Freedom in Africa und war in der Antiglobalisierungsbewegung und der Bewegung gegen die Todesstrafe aktiv. Federici ist Autorin einer Vielzahl von Artikeln in den Bereichen politische Philosophie, feministische Theorie, Kulturwissenschaft und Erziehung.
Zu den von ihr publizierten Büchern gehören unter anderem Revolution at Point Zero (September 2012); Caliban und die Hexe. Frauen, der Körper und die ursprüngliche Akkumulation (2004/2012); A Thousand Flowers: Social Struggles Against Structural Adjustment in African Universities (2000, Mitherausgeberin); und Enduring Western Civilization: The Construction of Western Civilization and its ‘Others’ (1994, Herausgeberin). Ihr neustes Buch Re-enchanting the World: Feminism and the Politics of the Commons (2018) liefert von einer feministischen Perspektive aus eine detailierte Geschichte und Kritik der Politiken der Almende. Sie ist emeritierte Professorin an der Hofstra University (Hempstead, New York).
Amy Franceschini ist die Gründerin von Futurefarmers, einer Gruppe von Künstler_innen, Aktivist_innen, Landwirt_innen und Architekt_innen. Ihr gemeinsames Interesse ist es, Rahmenbedingungen für Partizipation zu gestalten, die unseren kulturellen Kompass neu ausrichtet. Futurefarmers nutzen verschiedene Medien, um Situationen zu inszenieren, die den gewohnten Apparat zerlegen – beispielsweise die öffentliche Ordnung, Stadtplanung, Bildungspläne und öffentliche Verkehrsmittel. Sie schaffen relationale Skulpturen und Werkzeuge für diejenigen, die Einblicke in Forschungsgebiete gewinnen möchten – nicht nur, um sich den Wandel an den Orten, an denen wir leben, vorzustellen, sondern auch um an diesem teilzunehmen und ihn zu initiieren. Franceschinis Arbeiten wurden unter anderem im Guggenheim Museum in New York, auf der Whitney Biennale in New York, im MOMA, im San Francisco Museum of Modern Art, im Canadian Center for Architecture in Montreal und auf der 2014 Venice Architectural Biennale ausgestellt.
Sie erhielt das Guggenheim Fellowship 2010 und war 2019 Rome Prize Fellow in Design. Sie hat einen Master of Fine Arts in New Genres von der Stanford University (2002) und einen Bachelor in Fine Arts in Fotografie von der San Francisco State University 1992).
Jason W. Moore ist ein Umwelthistoriker und historischer Geograph an der Binghamton University, wo er als Professor für Soziologie unterrichtet.
Zu seinen jüngsten Veröffentlichungen als Autor und Herausgeber zählen Capitalism in the Web of Life (Verso, 2015), Anthropocene or Capitalocene? Nature, History, and the Crisis of Capitalism (PM Press, 2016) und, mit Raj Patel, A History of the World in Seven Cheap Things (University of California Press, 2017). Seine Bücher und Aufsätze zur Umwelthistorie, Kapitalismus und Sozialtheorie wurden vielfach ausgezeichnet, darunter mit dem Alice Hamilton Prize of the American Society for Environmental History (2003), dem Distinguished Scholarship Award of the Section on the Political Economy of the World-System (American Sociological Association, 2002 für Aufsätze, und 2015 für Web of Life), und dem Byres and Bernstein Prize in Agrarian Change (2011). Moore koordiniert das World-Ecology Research Network.
29.10.2019 | Gerda Reith und Ashkan Sepahvand | „Konsum als Obsession“
In ihrem Anfang 2019 veröffentlichten Buch “Addictive Consumption” analysiert Gerda Reith die Machtmechanismen und unablässigen Widersprüche innerhalb des Konsumkapitalismus, der “gleichzeitig Exzess und Begehren produziert sowie Selbstkontrolle und Beherrschung verlangt“. Ihr Vortrag in München wird an die wichtigsten Thesen dieses Buches anschließen und aufzeigen, wie der Kapitalismus einerseits die globale Expansion des Massenkonsums vorantreibt, andererseits aber die Aufmerksamkeit weg vom „Gemeinwesen hin auf den (defekten) Körper des individuellen Konsumenten lenkt, der sowohl als Quelle des Problems als auch dessen Lösung“ bestimmt wird.
In seiner performativen Lesung „Everything I know about technocapitalism, I learned at Berghain” beschreibt Ashkan Sepahvand den bekannten Berliner Technoclub Berghain als Kosmologie des Exzesses und des praktizierten Technokapitals. Es ist nach Shepahvand eine Welt der Techno-Mutanten, die einer ambivalenten Zukunft entgegenstreben – einer Zukunft in der in exzessiver Weise nur noch reine Freude und pure Lust akkumuliert wird. Seine Münchner Präsentation denkt solche Exzesse neu und fragt:
„What is too much? Am I too much? Am I doing enough? Did I take too much? Have I had enough? Intense. Chaotic. Am I an imposter? Am I lying to myself? Junkie faggot whore. Techno trash loser. Am I a victim? Am I special? There are a lot of voices in my head. I try to calm them down, so I can think clearly. But each has something to say and in its own way. I am working with these voices. I am recovering from many years of addiction and excess. Intensity-junkie. I am reorienting my compulsions, habits, and fixations. It's still too much. Perhaps there's something in this. Too-much-ness as a queer way of being, doing, making. Once a junkie, always a junkie.“
Gerda Reith ist Professorin für Sozialwissenschaften an der Universität Glasgow. Sie forscht und schreibt über Themen wie Sucht, Risiko und Exzess und deren Bezug zu Verhalten und Kontrolle in globalen Konsumgesellschaften. Ihr besonderes Interesse gilt den sozialen und kommerziellen Determinanten des Glücksspiels und dem Verhältnis zwischen dem Schaden, der durch Glücksspiel verursacht wird, und sozialen Ungleichheiten sowie der Gesundheit der Bevölkerung.
Reiths Forschung wurde von einer Vielzahl an akademischen, staatlichen und gemeinnützigen Organisationen gefördert, darunter der Economic and Social Research Council (ESRC), der Medical Research Council (MRC) und das National Institute for Health Research (NIHR).
Für ihr Buch The Age of Chance: Gambling in Western Culture (Taylor & Francis, 1999) erhielt sie 2000 den Philip- Abrams Prize für das beste Buch aus der Soziologie. In ihrer zuletzt erschienenen Monografie Addictive Consumption: Capitalism, Modernity and Excess (Routledge, 2018) stützt sie sich sowohl auf Ideen zu Konsum wie auch zu Sucht, um Fragen zu Identität und Begehren, Exzess und Kontrolle, Vernunft und Regellosigkeit im Kontext der kapitalistischen Moderne zu untersuchen.
Ashkan Sepahvand ist ein in Teheran geborener Schriftsteller und künstlerischer Forscher, der in Berlin und im englischen Oxford lebt und arbeitet. 2018–19 war er Gastdozent an der Hochschule für Künste Bremen. 2016–17 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Schwulen Museum*, wo er die Ausstellung Odarodle – an imaginary their_story of naturepeoples, 1535–2017 kuratierte, sowie am Haus der Kulturen der Welt (2012–14), wo er die Publikation Textures of the Anthropocene: Grain, Vapor, Ray (The MIT Press, 2015) mitherausgegeben hat. 2010 gründete er gemeinsam mit Natascha Sadr Haghighian das Institut für inkongruente Übersetzung als Rahmenstruktur für ihre gemeinsamen Untersuchungen. Zu letzteren zählen etwa die Projekte seeing studies (2010–12) und Carbon Theater (2016–fortdauernd).
Sepahvands Werke und Schriften wurden unter anderem auf der 58. Biennale von Venedig, der dOCUMENTA (13), den Sharjah Biennalen X & 13, der Gwangju Biennale 11, in der Ashkal Alwan (Lebanese Association for Plastic Arts), im Sursock Museum und im ICA London gezeigt. Derzeit arbeitet er an einem DPhil in Fine Art an der Ruskin School of Art und St. John’s College, University of Oxford, wo er Clarendon-AHRC Scholar ist.
Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt.
Di 26.11.2019 | „(Im)Materialien der Exzesse“ mit Hans Block und Moritz Riesewieck
Der Fokus des Vortrags „(Im)Materialien der Exzesse“ liegt auf der exzessiven Zirkulation von Bildern, Informationen und Affekten in den digitalen Kommunikationstechnologien. Hans Block und Moritz Riesewieck, die als Autoren, Theater-, Film-, und Hörspielproduzenten arbeiten, stellen ihren mehrfach ausgezeichneten Debütfilm „The Cleaners“ (2018) vor. Dem Film liegt eine langjährige Recherche über die Content-Moderator_innen von Social Media-Plattformen zu Grunde, die unzählige Bilder und Videos sichten müssen und entscheiden, was im Internet für alle sichtbar bleibt. Die Moderator_innen, die häufig schlecht bezahlt und outgesourct u.a. in Manila, der Hauptstadt der Philippinen, arbeiten, sind dabei immer wieder mit verstörenden Bildern konfrontiert, da durch die Art und Weise wie Social Media Aufmerksamkeit über Klicks und Likes erzeugt, Extreme aller Arten befördert werden.
Moritz Riesewieck und Hans Block entwickeln zusammen unter dem Namen Laokoon crossmediale Erzählformate. Die Legende von Laokoon, der die Gefahr des Trojanischen Pferdes als erster erkannte, dient ihnen dabei als Vorbild. The Cleaners feierte auf dem Sundance Filmfestival 2018 seine Weltpremiere, wurde seitdem weltweit auf über 70 internationalen Filmfestivals, in Kinos und im Fernsehen gezeigt, war für einen Emmy und den Deutschen Fernsehpreis nominiert und wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Prix Europa für den besten europäischen TV-Dokumentarfilm 2018 und dem Grimme-Publikumspreis 2019.
Der Theater-, Hörspiel- und Filmregisseur sowie Musiker Hans Block studierte Schlagzeug an der Universität der Künste und Schauspielregie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Er entwickelt eigene Theater-Inszenierungen (u.a. am Maxim Gorki Theater Berlin, Schauspiel Frankfurt, Münchner Volkstheater), mit denen er unter anderem zum Regiefestival „Radikal Jung“ oder dem Regiestudio am Schauspiel Frankfurt eingeladen wurde. Sein Hörspiel Don Don Don Quijote – Attackéee wurde beim internationalen Hörspielfestival mit dem Prix Marulić ausgezeichnet.
Der Autor, Theater- und Filmregisseur Moritz Riesewieck kam nach Regieassistenzen an der Berliner Schaubühne, dem Thalia Theater Hamburg und der Volksbühne Berlin sowie einigen Semestern Wirtschaftswissenschaft für das Regiestudium an die Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Seine Theaterarbeiten wurden unter anderem am Schauspiel Dortmund, beim Internationalen Forum des Berliner Theatertreffens und in Mexico City gezeigt. Für seine Diplomarbeit Voiceck wurde er 2015 zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen und mit dem Elsa-Neumann-Stipendium des Landes Berlin ausgezeichnet. 2017 ist sein Essay Digitale Drecksarbeit – Wie uns Facebook & Co. von dem Bösen erlösen bei dtv erschienen.
Di | 03.12.2019 | Zu viel Zeug? / Too much stuff? | Sharon Macdonald
„Too much stuff?“ mit Sharon Macdonald, Alexander von Humboldt Professorin für Sozialanthropologie an der Humboldt Universität zu Berlin.
In ihrem Vortrag “Too much stuff? What (not) to keep for the future?” fragt Macdonald, wie unsere Überflussgesellschaft mit ihren exzessiv angehäuften Dingen umgeht. Vor allem Museen leiden unter einer Überfrachtung mit Dingen, unter einer „Proliferation des Erbes“, die sich zu einer „Krise der Akkumulation“ ausweiten kann. Diese Institutionen stehen gerade in jüngerer Zeit verstärkt vor der komplizierten Frage, welche Dinge wir als wichtige kulturelle Zeugnisse behalten wollen und welche Möglichkeiten es gibt, diese überhaupt noch weiter sammeln zu können. Diskutiert werden in diesem Zusammenhang auch Strategien, die mit einer Perspektive des Nicht-Wachstums zu vereinbaren sind.
Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt.
Sharon Macdonald ist Alexander von Humboldt-Professorin für Soziale Anthropologie am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin, wo sie das von ihre begründete Institut CARMAH (Centre for Anthropological Research on Museums and Heritage) leitet. Als Principal Investigator des Exzellenzclusters Matters of Activity betreut sie außerdem das Projekt Making Differences – eine unter Beteiligung verschiedener Forscher durchgeführte Ethnografie der Museumsentwicklung in Berlin.
Ihre Faszination für Fragestellungen zum Exzess zeigt sich unter anderem in ihrem Buch Memorylands (Routledge, 2014), in dem sie die Auswirkungen der europäischen Hinwendung zu einer extensiven Gedenkkultur untersucht – auch im Hinblick auf das gleichzeitige Vergessen, das dieses Erinnerungsphänomen verbergen oder sogar fördern kann.
Die Frage, wie sowohl Museen als auch Menschen bei sich zu Hause entscheiden, was sie von der übermäßigen Zahl an Dingen behalten, um sie für die Zukunft zu bewahren, ist Forschungsgegenstand des Profusion- Themas, das Macdonald in dem unlängst abgeschlossenen Heritage Futures-Projekt betreut hat. Zu diesem ist ein Buch in Vorbereitung.