Jahresthema 2024/25: Affekte im 'Anthropozän'
Wintersemester 2024/25
Nach der Philosophin Rosi Braidotti drückt sich „unsere aktuelle Verfasstheit“ in einer “negativen affektiven Ökonomie” aus und der Soziologe Stephan Lessenich spricht gar von einer „Gesellschaft am Rande des Nervenzusammenbruchs.“ Die Verschärfung der Umweltkrisen als Folge des extraktiven Kapitalismus und des „kolonialen Bewohnens der Welt“ (Ferdinand) ist nicht nur für anhaltende Traumata im sogenannten 'globalen Süden‘ verantwortlich. Sie führte gerade in den letzten beiden Jahrzehnten in Kombination mit zunehmenden sozialen und kriegerischen Konflikten auch bei vielen Menschen westlicher Staaten zu starken emotionalen Reaktionen und belastenden affektiven Gestimmtheiten. Gleichzeitig lässt sich in Gesellschaften des 'globalen Nordens' paradoxer Weise eine kollektiv produzierte „strukturelle Apathie“ (Slaby), eine emotionale Distanzierung von den zerstörerischen Folgen kapitalistischer Lebensweisen ausmachen.
Mit dem Fortschreiten des ‚Anthropozäns‘ zeichnen sich veränderte menschliche Gefühlslagen und affektive Aufladungen ab, deren Eigenheiten und Widersprüche derzeit zunehmend in den Fokus von Künstler*innen und Wissenschaftler*innen rücken sowie neue Begriffe und Beschreibungsmodi einfordern. Das cx widmet sich im Wintersemester 2024/25 und Sommersemester 2025 sowohl alten, wie neuen oder neu interpretierten Emotionen und Affekten in der gegenwärtigen „Zeit der Ungeheuer, in der das Alte stirbt, und das Neue noch nicht geboren werden kann“ (Gramsci). Während sich die Vorträge und das Seminar im Wintersemester auf die Analyse umweltbezogener Emotionen und Affekte konzentrieren, ohne die die gegenwärtigen sozialen Dynamiken und Natur-Kultur-Verhältnisse nicht verstanden werden können, beleuchtet das Sommersemester die Rolle der Technologie bei der Evozierung, Vermittlung und Modulierung von Affekten im ‚Anthropozän‘.
Keynotes
22. Oktober, 18 Uhr (MESZ)
Ökologische Trauer und Hoffnung
Joshua Trey Barnett, Assistenzprofessor am Department of Communication Arts and Sciences, Pennsylvania State University
Andrea Bowers, Künstlerin, Los Angeles
Online, Vortragssprache: Englisch
12. November, 18 Uhr (MEZ)
Das Ungefühlte der Gesellschaft
Jan Slaby, Professor für Philosophie des Geistes und Philosophie der Emotionen, Freie Universität Berlin
In Präsenz: Auditorium E.EG.28, Vortragssprache: Deutsch
26. November, 18 Uhr (MEZ)
Schmerz und Empathie
Marianna Simnet, Künstlerin, Berlin/New York
Online, Vortragssprache: Englisch
Zoom-Links
für die Veranstaltung am 22.10.: https://kunsthochschule-bayern.zoom-x.de/j/67793154217?pwd=MNptc5oix0eRq5pqMw6Dwt34LWan89.1
für die Veranstaltung am 26.11.: https://kunsthochschule-bayern.zoom-x.de/j/63856131991?pwd=bHyBkJRyTb2sAjuJ3hBLZKUYB6mu2D.1
Von „Solastalgia“ zu „Slow Hope“
Affekte und Emotionen im Zeitalter ökologischer Transformationen
Seminar (FK-T2, FK-T3, KP D.04.09, KP D.05.09, FU-Z1)
Dr. Susanne Witzgall
Raum E.O1.23, Akademiestr. 2
Zeit Dienstag 14.00–16.00 Uhr, Beginn: 22.10.2024, weitere Termine: 29.10, 05.11., 12.11., 19.11., 26.11., 03.12., 10.12., 17.12.2024, 07.01., 14.01., 21.01., 28.01., 04.02.2025
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Die Narrative des Anthropozäns, ebenso wie die bereits spürbaren Umwelt- und Klimaveränderungen gehen mit unterschiedlichen emotionalen Antworten und gesellschaftlichen Affekten einher, die seit einigen Jahren in den Künsten und Wissenschaften immer stärkere Aufmerksamkeit erfahren. Die Gefühlsreaktionen reichen von „ökologischer Trauer“ oder „Solastalgia“, einer besonderen Form der Nostalgie, bis hin zu Wut, Empathie oder Hoffnung. Registriert wird aber auch ein Nicht-Fühlen, das aus einer (sozial produzierten) affektiven Abschottung gegenüber den zerstörerischen Folgen kapitalistischer Lebensweisen resultiert.
Das Seminar beleuchtet anhand von künstlerischen Arbeiten und theoretische Texten alte und neue Umwelt-Affekte und Erd-Emotionen (Albrecht), die nicht nur zentral für das Verständnis des Mensch-‚Natur‘-Verhältnisses, sondern auch für die Analyse aktueller gesellschafts-politischer Dynamiken sind. Wir diskutieren, welche Emotionen und Affekte (unter welchen Bedingungen) destruktiv und welche fähig sind transformative Potentiale zu eröffnen und gängige affektive Bindungen an toxische Verhältnisse (Slaby) zu lösen. Dabei widmen wir uns insbesondere auch den (ambivalenten) Wirkmächten von Glück, Empathie oder Hoffnung – also von grundsätzlich positiv bewerteten Gefühlen, die angesichts sozio-ökologischer Krisen immer wieder heraufbeschworen werden.
Wir lesen Texte aus den Bereichen Soziologie, Umweltstudien, Geographie, Literaturwissenschaft, feministischen Theorie, Psychologie oder Philosophie, darunter Ausschnitte aus Werken von Yi-Fu Tuan, Simon Estok, Eva Illouz, Glenn A. Albrecht, Sarah Ahmed oder Isabell Stengers. Parallel dazu analysieren wir künstlerische Arbeiten von Mika Rottenberg, Andrea Bowers, Marianna Simnett, John Akomfrah, Tabita Rezaire, Yussef Agbo-Ola/Olaniyi und vielen anderen.
Einführung in die Affekttheorie
Seminar (FK-T2, KP D.04.09, KP D.05.09, FU-Z1)
Dr. Susanne Witzgall
Raum E.O1.23, Akademiestr. 2
Zeit Mittwoch 14.00–16.00 Uhr, Beginn: 23.10.2024, weitere Termine: 30.10., 06.11., 13.11, 20.11., 27.11., 04.12., 11.12., 18.12.2024, 08.01., 15.01., 22.01., 29.01.2025
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Mitte der 1990er Jahre fand in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften eine sogenannte „affektive Wende“ statt. Seither haben sich divergente interdisziplinäre Theorieansätze entfaltet, die den Affekt als eine zentrale Schlüsselgröße und Analysekategorie sozio-ökologischer, kultureller und politischer Relationen und Prozesse betrachten. Auch Künstler*innen und Kunstwissenschaflter*innen, für die seit jeher Affekte neben Gefühlen und Emotionen eine wichtige Rolle spielen, sind an aktuellen Affektdiskursen beteiligt, in denen um die genauen Beschreibungen und Erforschungen der Eigenheiten und Wirkungsweisen von Affekten gerungen wird. Letztere werden dabei oft als umfassenderes Affektgeschehen begriffen, das sich zwischen Körpern abspielt und als transpersonale oder vorpersonale Intensität die Handlungsmacht der Körper verändert, während Emotionen als individuelle Einhegungen und bewusst interpretierte Affekte verstanden werden.
In diesem einführenden Seminar diskutieren wir verschiedene Richtungen der affect studies, darunter aktivistische, medien- und technikanalytische, feministischen, queer-theoretische oder antirassistische Ansätze. Außerdem fragen wir danach, welche Perspektive der Affektbegriff auf künstlerische Werke und Gestaltungsprozesse eröffnet. Hierzu lesen wir Aufsätze und Textausschnitte zentraler Autor*innen der affect studies wie zum Beispiel Brian Massumi, Sara Ahmed, Deborah Gould, Melissa Gregg, Patricia Clough, Marie-Luise Angerer, Esteban José Muñoz und andere.
Pflichtseminar für Examenskandidat*innen der Kunstpädagogik
(D.07.09)
Prof. Dr. Florian Matzner, Olivia Liesner, Dr. Sabine Weingartner, Dr. Susanne Witzgall
Zeit Donnerstag 24.10.2024, 16.00–18.00 Uhr (Auditorium E.EG.28), danach Termine nach individueller Vereinbarung mit der*m jeweiligen Prüfer*in
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