In Wörterbucheinträgen wird das besprochene Wort nach seiner ersten Nennung durch seine Initiale repräsentiert. Klasse, Klassenkampf, Klassenwiderspruch werden, ebenso wie Krise, Katastrophe oder Kolonialismus, zu K. Unser K. steht für KLASSENSPRACHEN – und damit für ein Terrain von Antagonismen, in dem sich die politischen Orthodoxien der Vergangenheit mit den sozialen Brutalitäten der Gegenwart treffen. In dieser Gegenwart sind Fragen der Übersetzung, der Versprachlichung und der (körperlichen) Einschreibung jener Divergenzen Teil eines allumfassenden Prozesses geworden, dessen Veränderungen und Zuspitzungen wir mit KLASSENSPRACHEN in den Vordergrund ziehen wollen, künstlerisch, kuratorisch, im Schreiben und in der Debatte. Es geht uns nicht darum, die Kunst als Politik auszugeben, sondern sie auf die Signaturen, die Marker und Formen der zutiefst antagonistischen Verhältnisse zu überprüfen, deren materieller Teil sie ist: Es geht uns um Kunst als Klassensprache ebenso wie um Klassensprachen in der Kunst.
Weitere Informationen auf:
http://www.district-berlin.com/detail.php?categorie_id=19&article_id=283&img_id=0
Teilnehmer*innen: Kai Althoff/Isa Genzken, Gerry Bibby, Cana Bilir-Meier, Sean Bonney,Hans-Christian Dany, Övül Ö. Durmuşoğlu, Michaela Eichwald, Frank Engster, Fehras Publishing Practices, keyon gaskin, Sarah M. Harrison, Ann Hirsch, HATE MAGAZIN, Karl Holmqvist, Infofiction, Stephan Janitzky, Jutta Koether, Justin Lieberman, Hanne Lippard, Thomas Locher, MC Baustelle, Sidsel Meineche Hansen, Karolin Meunier, Rachel O’Reilly, Phase 2, Johannes Paul Raether, Monika Rinck, Aykan Safoğlu, Juliana Spahr, spot the silence, Starship, Josef Strau, Marlene Streeruwitz, Hans Stützer, Linda Stupart, Ryan Trecartin, Peter Wächtler, Ian White, Tanja Widmann, Frank B. Wilderson III, Susanne M. Winterling und andere.
PROGRAMM
AUSSTELLUNG
Donnerstag, 20.07.2017
19 Uhr ERÖFFNUNG
Öffnungszeiten: 21.07.-17.09.2017, Mittwoch bis Sonntag 14-18 Uhr
DEBATTE
Freitag, 21.07.2017
19 Uhr KLASSENSPRACHEN / CLASS LANGUAGES – Übersetzungen und Transformationen
Monika Rinck (Berlin) und Juliana Spahr (Oakland) im Gespräch (EN)
Das Debattenprogramm von KLASSENSPRACHEN eröffnet mit kurzen Präsentationen und einem anschließenden Gespräch zwischen Monika Rinck und Juliana Spahr. Aus unterschiedlichen Blickwinkeln haben sich beide mit der Relevanz auseinandergesetzt, die Poesie heute für sich beanspruchen kann – sei es als geteilter Individuationsprozess, als Terrain von Kollektivität oder als politische Ausdrucksform – und damit, wie Klasse sie durchzieht, transformiert und als Subjekt und Objekt ihrer Übersetzungen erscheint.
Monika Rinck lebt und arbeitet als Autorin, Übersetzerin und Lyrikerin in Berlin. Zu ihren aktuellen Arbeiten zählen Honigprotokolle (2012), Risiko und Idiotie. Streitschriften (2015) und Wir. Essay (2015). 2017 kuratierte sie die Poetica III in Köln, sowie das poets-in-residence-Programm Kur und Kür der Skulptur Projekte Münster. Siehe auch www.begriffsstudio.de
Juliana Spahr lebt und arbeitet als Autorin, Lyrikerin und Kritikerin in Oakland, Kalifornien. Zu ihren aktuellen Publikationen zählen unter anderem That Winter the Wolf Came (2015), An Army of Lovers (mit David Buuck, 2013) und Everybody’s Autonomy (2001). Außerdem ist sie gemeinsam mit Jena Osman Herausgeberin der Buchreihe Chain Links, mit Joshua Clover und Jasper Bernes gibt sie außerdem Commune Editions heraus.
Samstag, 22.07.2017
12 Uhr Performance Hanne Lippard (Berlin) / Kommentar Marlene Streeruwitz (Wien) (EN / DE)
13 Uhr Lesung Marlene Streeruwitz (Wien) / Kommentar Hanne Lippard (Berlin) (DE / EN)
In diesem dialogischen Format präsentieren die Künstlerin, Performerin und Lyrikerin Hanne Lippard (*1984 Milton Keynes) und die Lyrikerin, Dramatikerin und Romanautorin Marlene Streeruwitz (*1950 Baden bei Wien) sich gegenseitig jeweils eine ihrer Arbeiten. Wenn auch aus sehr verschiedenen Perspektiven, verhandeln die Texte und Inszenierungen beider die Frage von Weiblichkeit als einem gesellschaftlichen Austragungsort von (Klassen-)Gewalt, der davon gekennzeichnet ist, wie Sprache gebraucht und verkörpert wird.
Hanne Lippard lebt und arbeitet in Berlin. Zu ihren aktuellen Ausstellungen zählen Flesh, KW Berlin (2017), FOAM, LambdaLambdaLambda, Prishtina (2016) und Fluidity(Gruppenausstellung), Kunstverein in Hamburg (2016). Ihr neues Buch This Embodiment erschien kürzlich bei Broken Dimanche Press, Berlin. Siehe auch www.hannelippard.com
Marlene Streeruwitz lebt und arbeitet in Wien, London und New York. Über die letzten Jahrzehnte hat sie zahlreiche literarische und lyrische Werke veröffentlicht sowie Hörspiele und theoretische Essays verfasst. Ihre aktuellen Publikationen umfassen u.a. Yseut (2016), Wahlkampfroman (2016), So wird das Leben (2016), Poetik. Tübinger und Frankfurter Vorlesungen (2014) und Nachkommen (2014). Siehe auch www.marlenestreeruwitz.at
15 Uhr Politisch publizieren / künstlerisch publizieren: Einige Modelle
Fehras Publishing Practices (Berlin), HATE Magazine (Berlin), Phase 2 (Berlin/Leipzig) und Starship (Berlin) im Gespräch (DE)
Auf diesem Panel werden Publikationsformate diskutiert, die in der regelmäßigen, fortgesetzten und auch veränderlichen Form des Magazins ihren Ausgangspunkt nehmen, aber nicht notwendigerweise noch in dieser produzieren. HATE MAGAZINE wurde 2008 in Berlin als unregelmäßig erscheinendes Printmagazin gegründet und existiert heute in erster Linie als Online-Format. Die Phase2 entstand 2001 als theoretische Diskussionsplattform der antifaschistischen und linksradikalen Bewegung, als Printform ihrer Debatten. Wie Fehras Publishing Practices, die erst seit 2015 in Berlin existieren, geht es ihr um den veränderlichen Niederschlag politischer Form in Printform. Fehras Publishing Practices existiert in Berlin erst seit 2015 und verändert seine Form basierend auf den jeweiligen Formaten, die ihr Gegenstand – die Präsenz von nordafrikanischen und nahöstlichen Publikationen in der englischsprachigen Kunstwelt – annimmt. In dieser Kunstwelt besteht Starship bereits seit 1998 und hat als Künstler*innen- und Kunstmagazin seinen Auftritt seither grundlegend verändert und diesen, wie Fehras, mit ihrem Gegenstand immer wieder neu als künstlerische Form justiert. Am Beispiel dieser unterschiedlichen Publikationspraktiken verhandelt das Panel die Frage künstlerischer und politischer Formen von Radikalität in Printform heute.
18 Uhr Writing Towards an Aesthetic Practice? Writing Towards Art?
Justin Lieberman (München), Rachel O’Reilly (Berlin) und Josef Strau im Gespräch (EN)
Die drei Künstler*innen und Schriftsteller*innen, die dieses Panel zusammenbringt, operieren mit unterschiedlichsten Schreibformen als Teil einer Praxis, die nicht versucht, Kunst als Hort ästhetischer Form zu definieren. Vielmehr geht es darum, künstlerische Produktion hin zu einem erweiterten Verständnis ästhetischer Autor*innenschaft zu öffnen – zu einem gewissen Risikobewusstsein. Die Frage danach, wie die institutionalisierten Formen der Kunst als im Übergang in eine allgemeinere ästhetische Praxis aufs Spiel zu setzen seien, ist hier auf die spezifischen Rollen gerichtet, die Sprache darin spielen kann – und in den Arbeiten von Lieberman, O’Reilly und Strau gespielt hat.
Justin Lieberman (*Gainesville, FL) ist ein in München arbeitender Künstler. Seine aktuellen Ausstellungen umfassen Installation View, Galerie Christine Mayer, München (2016), Je t’Empire, Le Confort Moderne, Poitiers (2015) und Squeezed Relief, Martos Gallery, New York (2014). Zu seinen jüngsten Publikationen zählen unter anderem The Corrector’s Custom Pre-Fab House (2015), Address to the Student Art Collective (Adjunct Commuter Weekly, 2017), Michel Auder’s Machinic Bohemia (2010/14) und Hopi Basket Weaving (2006). Siehe auch www.justin-lieberman.com
Rachel O’Reilly (*Gladstone, AU) lebt und arbeitet als Lyrikerin, Kritikerin, Künstlerin und researcher in Berlin. Sie lehrt am Dutch Art Institute und hat kürzlich zusammen mit Natasha Ginwala u.a. das öffentliche Programm der Contour Biennale (2017) kuratiert. O’Reilly ist mit Jelena Vesić und Vladimir Jeric Autorin des Buches On Neutrality: The Letter from Melos (2017) und präsentierte ihre künstlerische Arbeit The Gas Imaginary (2016-) an wechselnden Orten, darunter Gladstone Regional Art Gallery and Museum (2016) und The Jerusalem Show (2017).
Josef Strau (*Wien) lebt und arbeitet als Künstler in Frankfurt und New York. Aktuelle Einzelausstellungen fanden unter anderem im Künstlerhaus Bremen (2017), House of Gaga, Mexico City (2016) und Secession, Wien (2015) statt. Strau hat umfassend publiziert, sowohl im Rahmen seiner eigenen künstlerischen Praxis als auch für Kataloge und Magazine. Zu seinen Veröffentlichungen zählen der Essay „The Non-productive Attitude“ (2006) und jüngst die Künstlerbücher Dreaming Turtle (2015), The New World 2, Travels in Turtle Island (2015) und The Atlantis Search Engine(2013). 1990 gründete er mit Stephan Dillemuth den von Künstler*innen betriebenen Raum Friesenwall 120 (Köln), zwischen 2002 und 2006 war er Kurator der Galerie Meerrettich an der Volksbühne (Berlin).
20 Uhr After the Ice, the Deluge
Performance Linda Stupart (London) (EN)
In ihrer* Performance, die Teil ihres* Ausstellungsbeitrags ist, widmen sich Linda Stupart dem Queering von Wissenschaftssprache, der Beweislast von Objekten/Bildern sowie dem Verhältnis zwischen Körpern und Horror/dem Abjekten durch die Verknüpfung zweier divergenter Themen: dem Morgellons-Syndrom und dem Schmelzen der Polarkappen.
Linda Stupart (*Kapstadt) leben und arbeiten als Künstlerinnen* und Autorinnen* in London, wo sie auch lehren. Zu ihren aktuellen Einzelausstellungen zählen A Dead Writer Exists in Words and Language is a Type of Virus in der Galerie Arcadia Missa, London (2016), bei der sie* auch ihre Debutnovelle Virus (2016) veröffentlichten. Stupart zeigten/performten ihre* Arbeiten außerdem in Matt’s Gallery, The Showroom, a.m. gallery, the ICA und Guest Projects in London u.a. Siehe auch www.lindastupart.net/
DISKUSSION, PERFORMANCE, MAGAZIN-RELEASE UND CLOSING PARTY
Samstag, 16. September 2017
Am vorletzten Tag, an dem KLASSENSPRACHEN bei District Berlin als Ausstellung zu Gast ist, feiern wir gemeinsam den Release der Ausgabe Null unseres gleichnamigen Magazins (mit Beiträgen von u.a. Cultural Capital Cooperative Object, Hans-Christian Dany, Övül Durmuşoğlu, Sarah M. Harrison, Christiane Ketteler, Rachel O'Reilly, Susanne M. Winterling sowie Künstler*innen der Ausstellung). Ein Tag mit Vorträgen, Diskussionen, einer Performance und Party beschließt KLASSENSPRACHEN in Berlin, bevor das Projekt im November mit einer weiteren Station im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf weitergeht.
16 Uhr Frank B. Wilderson III (University of California, Irvine)
moderiert von Kathy-Ann Tan (John-F.-Kennedy-Institut, FU Berlin)
In seinem Vortrag wird Frank B. Wilderson III den in KLASSENSPRACHEN immer wieder negativ bestimmten Begriff der Klasse – der bereits für Ausstellung und Vortragsprogramm zentral war – ganz grundsätzlich in Frage stellen. Einer seiner Ausgangspunkte ist hierfür die Geschichte der Black Liberation Army als einer anti-systemischen Bewegung, deren Militanz die Grenzen moderner politischer Subjektivität überschritt (anders es als z.B. die RAF tat). Wilderson wird diskutieren, inwiefern die historische Entstehung und Konsolidierung der Klasse als Träger der Kommunistischen Revolution auf einem Verständnis von politischer Freiheit fußt, das den Schwarzen als Sklaven immer schon voraussetzt und ausnimmt. Das moderne Verständnis der Freiheit, das dem Arbeitersubjekt zu Grunde liegt, hat ihr Gegenüber in der Sklaverei und liegt nicht jenseits von ihr. Moderiert von Kathy-Ann Tan wird Wilderson im Gespräch seine Thesen im Bezug auf dasjenige Medium schärfen, das in seiner Arbeit immer wieder einen eigenen Platz einnimmt und das bereits am Eröffnungswochenende von KLASSENSPRACHEN von Juliana Spahr und Monika Rinck als Ort grundlegender Rekonstruktion des individuierenden Denkens ausgelegt wurde: das Poetische.
Frank B. Wilderson III ist Autor, Dichter, Wissenschaftler, Aktivist und Filmemacher. Er unterrichtet Drama und African American Studies an der University of California, Irvine. Seine literarische wie auch kritische und wissenschaftliche Arbeit ist international publiziert und umfasst u.a. Incognegro: a Memoir of Exile and Apartheid (2008), Red, White, & Black: Cinema and the Structure of U.S. Antagonisms (2010) sowie „The Black Liberation Army and the Paradox of Political Engagement“ (2014).
Kathy-Ann Tan arbeitet als Literaturwissenschaftlerin am John F Kennedy Institut der Freien Universität Berlin. Zu ihren jüngsten Veröffentlichungen gehört Reconfiguring Citizenship and National Identity in North American Literary Imagination (2015) und davor The Nonconformist's Poem: Radical "Poetics of Autobiography” in the Works of Lyn Hejinian, Susan Howe and Leslie Scalapino (2008). Aktuell arbeitet Tan an einem Projekt zur Ästhetik der Dekolonisation.
18 – 18.30 Uhr Pause
18.30 Uhr Beschreiben in Auswegen
Johannes Paul Raether und Tanja Widmann im Dialog über zwei Werke
Die Werkbeschreibung, eine vermeintlich neutrale, standardisierte Textform, begegnet uns regelmäßig in Zusammenhang mit künstlerischen Arbeiten: in Wandtexten und auf Labels, in Kritiken und Essays und nicht zuletzt im Rahmen von Kunstvermittlungsaktivitäten. Zumeist wird sie als notwendiges Übel betrachtet, als Mittel zum Zweck (von Kritik oder Lob), als tumbe Reflexion des eigentlichen Werks oder lästige Vorarbeit für die „Kür“ der Meinungsbildung. Ins Positive gekehrt lässt sich allerdings auch behaupten, dass die Werkbeschreibung die Grundlage für jede Verständigung über Kunst schafft: Was sie „sieht“ oder ausblendet, wie sie gewichtet und ordnet, welche (Sprach-)Barrieren sie auftürmt oder aus dem Weg räumt, lenkt den Zugriff auf das Werk. Johannes Paul Raether und Tanja Widmann beschreiben einander ein „Werk“ ihrer Wahl und reagieren auf die Beschreibungen des Gegenübers. Aus dem Textneutrum wird ein konfrontativer Dialog.
20:00 – 20:30 Uhr Pause
20:30 Uhr its not a thing
Performance von keyon gaskin, ca. 50 Min.
keyon gaskin prefers not to contextualize their performances with their credentials.
„its not a thing ist ein anti-theatrales Solo, das Trends in der zeitgenössischen Performancekunst problematisiert. Mit der Arbeit stellt gaskin Fragen zu den ‚vielfältigen Formen von Fürsorge und Undurchschaubarkeit [...]‘, unterläuft die Rollen von Darsteller und Zuschauer*innen und fordert unsere Regeln für Mitwirkung heraus. Die Arbeit ist eine Punk-Geste. Es handelt sich nicht um eine typische Theatererfahrung – und genau darum geht es.“
Ben Pryor, Kurator American Realness, New York
21:30 Uhr Magazin-Release Cocktail
22:00 Uhr Party
mit Musik von Jane D and Skrait
Ausstellungsdesign: Fotini Lazaridou-Hatzigoga. Grafik: Offshore Studio.
Künstlerisches Leitungsteam District: Suza Husse mit Janine Halka undAndrea Caroline Keppler. Geschäftsführer: Frank Sippel. Produktionsleitung: Naomi Hennig. Kommunikation: Johanna Ekenhorst. Aufbau: MC Baustelle (Francy Fabritz, Josephine Freiberg, Anka Mirkin, Winnie Olbrich und Hassan Suleiman). Assistenz: Eva Storms und Yoonhee Kim. Finanzen: Annett Hoffmann.
Ein Projekt mit District Berlin gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds Berlin. Unterstützt von Cine Plus und Jungle World.