Jahresthema „Hybride Ökologien“

 
Form follows Ecologies
Ökologien in zeitgenössischem Design und Architektur
(auch Modul B.06.09)
Karianne Fogelberg, M.A.

Raum E.ZG.04, Akademiestr. 4
Zeit  Dienstag 10.30–12.30 Uhr, Beginn 25.10.2016 (Einführung, verbindliche Anmeldung), weitere Termine (wöchentlich) 08.11., 15.11., 22.11., 29.11., 06.12., 13.12.2016, 10.01.2017, 17.01., 24.01

 
Das gegenwärtige Ökologie-Verständnis basiert auf der Erkenntnis, dass komplexe Beziehungsgeflechte und Prozesshaftigkeit grundlegende Merkmale aller Existenz sind. Aktuelle gestalterische Disziplinen diskutieren Ökologie nicht nur als Metapher für die wechselseitigen Beziehungen zwischen dem Menschen und seiner sich verändernden Umwelt, sondern als eine Quelle der Kreativität und als „Medium für eine zurückgestellte Autorschaft“, bei der gestalterische Entscheidungen nicht abgeschlossen sind, sondern ein fortwährender Vorgang. Das Seminar spürt der Wandlung des Ökologie-Begriffs seit den 1960er Jahren nach und untersucht, inwieweit sich Ökologie als eine „generative Kraft“ begreifen lässt, deren Prozesse und Sprache völlig neue Designpraktiken erfordern. Beispiele hierfür sind die „meteorologische Architektur“ von Philippe Rahm, die mit Temperatur, Licht und Luftfeuchtigkeit arbeitet, oder die experimentellen Designprojekte von Martin Avila, die über eine nutzerzentrierte Perspektive hinaus-gehen, wie etwa eine Serie von Radios, die in einem symbiotischen Verhältnis zu ihrer jeweiligen Umgebung funktionieren.
 
Ausgehend von Felix Guattaris kanonischem Aufsatz „Die drei Ökologien“ (1985) werden im Seminar Schlüsseltexte aus den Anfängen des Ökologie-Begriffs, namentlich aus der Landschaftsgestaltung und der Raumplanung (u.a. James Corner, Ian McHarg) sowie zeitgenössische theoretische Positionen (u.a. Betti Marenko, Godofredo Pereira, Chris Reed) gelesen und in Bezug zu historischen und aktuellen Arbeiten gesetzt – mit Beispielen von u.a. Cedric Price, den japanischen Metabolisten, dem frühen Rem Koolhaas, Andrea Branzi, Diller and Scofidio, Natalie Jeremijenko, Philippe Rahm, Martin Avila und Thomas Thwaites.
 
Parallel zu diesem Seminar für alle Studierenden finden gesonderte Termine für Studierende der Innenarchitektur in Kooperation mit dem Lehrstuhl Raumgestaltung (Prof. Gregor Eichinger, Christoph Hilger) statt. Diese Termine werden rechtzeitig angekündigt.

 



 Queering Media Ecologies
(auch Modul C.01.09)
Prof. Dr. Marietta Kesting

Raum E.O1.23, Akademiestr. 4

Zeit Dienstag 18.00–22.00 Uhr, Einführung am 25.10.2016

weitere Termine (14-tägig) 08.11., 22.11., 06.12., 20.12.2016, 17.01.2017, 31.01.

 
Die bemannte Raumfahrt zum Mond machte mit der Apollo-Mission 1968 ein neues Bild der Erde aus dem Weltraum sichtbar. Seit dem Beginn des ‚Space Age’ wurden medientheoretische und ökologische Wissensbestände miteinander in Beziehung gesetzt (Marshall McLuhan). Folglich werden Ökologien sowohl durch die Medien vermittelt als auch teilweise als Analogien verwendet, im Sinne von „Medien als Ökosystemen“ (Michael Giesecke).
 
In dem Seminar werden diese Gleichsetzungen in der Medientheorie durch die Perspektive der Queer Studies befragt, die immer schon „jenseits von Natur“ argumentiert haben, und mithilfe der Analyse medialer Artefakte (Film, Fotografie, Installation, Internet Art) konkretisiert. Was für andere Ökologien der Erfahrung, der Differenz und des Begehrens existieren seitdem und werden medial performt? Welche Materialitäten, Substanzen, Affekte, Bilder und Töne von menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren beinhalten sie? Insbesondere werden damit auch Temporalitäten und Materialitäten von Medien-Technologien und -Produkten sowie die für ihre Herstellung benötigten Rohstoffe mit in den Fokus künstlerischer, theoretischer und medienbezogener Analysen gerückt (u. a. Nadia Bozak The Cinematic Footprint, Jussi Parikka A Geology of Media). Zugleich hat sich die Subjektkonstitution selbst durch technische Medien, chirurgische Eingriffe und pharmakologisches Wissen verändert. Heutzutage sind über Selbst-Medikation und -Modifikation (Beatrice/Paul Preciado) neue Subjektivierungsweisen wie „Testo Junkies“ oder Conchita Wurst und die virtuelle Heldin Lara Croft entstanden, die wiederum medial gespiegelt und transformiert werden.

 


 

Jenseits von Grün
Zeitgenössische Kunst und ‚neue’ Ökologien
(auch Modul D.05.09)
Dr. Susanne Witzgall

Raum E.O1.23 und E.O2.29 (nur 15.11.), Akademiestr. 4

Zeit Dienstag 14.00–16.00 Uhr, Beginn: 25.10.2016 (Vorbesprechung)

weitere Termine (wöchentlich) 08.11., 15.11., 22.11., 29.11., 06.12., 13.12.2016, 10.01.2017, 17.01., 24.01.


Im aktuellen Kunstdiskurs gehört der Begriff der „Ökologie“ seit einigen Jahren erneut zu einem der zentralen Schlagworte. In Anlehnung an den amerikanischen Literatur-wissenschaftler Timothy Morton ist nun jedoch häufig von einer „Ökologie ohne Natur“ sowie „dunklen Ökologien“ die Rede. Das zeugt von einer aktuellen Umwertung und interdisziplinären Neufassung eines Begriffs, der sich schon lange nicht mehr auf eine Natur im Gleichgewicht bzw. die Konservierung ihres einst scheinbar intakten Zustands bezieht. Ökologie steht heute viel umfassender für die unentwirrbaren Relationen und hybriden Verflechtungen von artifiziell-technologischen und biologischen, von digital-semantischen und materiellen Elementen und Prozessen, die nicht nur erkenntnisreiche Zusammenhänge, sondern auch toxische Abgründe und unvorhersehbare katastrophische Dynamiken offenbaren.
 
Das Seminar geht der Frage nach, wie sich das heutige Ökologieverständnis in zeitgenössischen künstlerischen Positionen niederschlägt und in welchen inhaltlichen Fragestellungen und neuen ästhetischen Formen es sich manifestiert. Die Beispiele umfassen alle künstlerischen Medien und reichen von den Videoessays Ursula Biemanns und der Otolith Group bis hin zu den computersimulierten, selbst-evolvierenden Ökosystemen von Ian Cheng, den Gemälden und Videos von Antje Majewski oder Pierre Huyghes Installationen mit lebenden Akteuren. Für die Analyse werden kurze Textauszüge von Stacy Alaimo, David Abram, Rosi Braidotti, Erich Hörl oder Timothy Morton herangezogen – von Theoretiker*innen, die für aktuelle inter-disziplinäre Ansätze einer Medienökologie, (neomaterialistischen) Ökokritik oder Öko-Ethik stehen und diese maßgeblich prägen. Das Seminar beginnt nicht zuletzt mit exemplarischen Rückblicken auf künstlerische Positionen, die seit den 1960er Jahren von einer wachsenden Ökologisierung des westlichen Denkens zeugen. Prozess-arbeiten von Hans Haacke, Land Art-Arbeiten von Robert Smithson und Michael Heizer bis hin zu den ökologischen Interventionen von Agnes Denes und den Ökotechnologien von Peter Fend zeigen neben zentralen Texten von Gregory Bateson, Jack Burnham oder Rachel Carson, wie das derzeitige ‚ökologische Paradigma’ in der Kunst von langer Hand vorbereitet wurde, aber auch wie sich dieses in wesentlichen Aspekten von der frühen künstlerischen Auseinandersetzung mit der Ökologie unterscheidet.