Wie durch ein Brennglas zeigen die gegenwärtigen Umstände der Pandemie, was zweifelsohne schon zuvor auf verschiedenste Art und Weise (kognitiv, emotional, gesundheitspolitisch, sozial, finanziell etc.) angelegt war: eine Gesellschaft in Überforderung. Wurde das Subjekt der Vergangenheit noch fremdbestimmt und durch ein "Außen" diszipliniert, hat sich das Subjekt der Gegenwart oft genug solchen Anforderungen angepasst. Disziplinierung und Kontrolle finden von "Innen" statt (Michel Foucault): Entgrenzte Arbeitsverhältnisse, in denen Flexibilität, ständige Erreichbarkeit und Selbstkontrolle vorausgesetzt werden, nicht mehr von 9 bis 5, sondern auf Projektbasis gearbeitet, Zeiterfassung in Vertrauensarbeitszeit und der Arbeitsplatz in ein Homeoffice verlagert wird, wirken sich zwar weiterhin auf das Subjekt der Gegenwart aus, da sie es noch immer von außen disziplinieren. Darüber hinaus vollzieht sich innerhalb vieler Arbeitsbereiche aber eine Selbstdisziplinierung qua Anpassung, Autonomisierung und Flexibilisierung, die einer Inkorporierung oben genannter, entgrenzender Anrufungen gleichkommt. In der Leistungsgesellschaft steigern die Subjekte der Gegenwart als "Homo oeconomicus" (Ulrich Bröckling) ihre eigene Leistungsfähigkeit. Arbeit wird zu einem Lebensprojekt, in welchem sich Arbeitszeit und Lebenszeit nicht nur überschneiden, sondern vereinen. So werden ehemals private Momente weiterhin als Optimierungszeit in Form von Sinnerfüllung und Auslastung der Lebenszeit genutzt. Die freie, leere Zeit kann, darf und muss mit Sinn erfüllt werden. Oft genug stellt sich statt Sinnerfüllung aber Erschöpfung, Indifferenz und Langeweile ein (Alain Ehrenberg). Die Hoffnung auf Optimierung schlägt in eine enttäuschende Erfahrung der jeweiligen Grenzen des Selbst um. Welche Praktiken zu dieser vermeintlichen Enttäuschungsspirale führen und welche Folgen sich daraus ergeben können, soll in der Online-Diskussion gemeinsam mit Anja Röcke und Greta Wagner diskutiert werden.