1901 Thomas Manns Novelle Gladius Dei, in der die Akademie »ihre weißen Arme zwischen der Türkenstraße und dem Siegestor ausbreitet«, gibt ein Exempel des wachsenden Krisenbewusstseins, dem im gleichen Jahr Hans Rosenhagens etwas voreiliger, aber letztlich prophetischer Aufsatz Münchens Niedergang als Kunststadt weiteren Diskussionsstoff liefert.

1907 Mit Hugo von Habermann (Berufung 1905), Adolf von Hildebrand (1906) und Angelo Jank werden die Positionen des Jugendstils, eines modernen Neoklassizismus sowie eines moderaten Spätimpressionismus arrondiert. Damit sind aber auch schon die künstlerischen Grenzen markiert, über die sich die Akademie in den kommenden Jahrzehnten nicht mehr hinausbewegen wird.

1911 Die polnische Malerin Zofia Stryjeńska immatrikuliert sich unter dem Namen ihres Bruders Tadeusz Grzymała-Lubanski und studiert in Männerkleidern in der Klasse von Hackl. Die Akademie erhält eine neue Verfassung.

1912 Die Akademie erhält den schon zur Zentenarfeier erhofften Fest- und Repräsentationsraum, eine großzügige Aula nach Entwürfen von Friedrich von Thiersch, deren Maße sich an den »Raphael-Tapeten« orientieren.

1913 Richard Riemerschmid wird Direktor der Kunstgewerbeschule und treibt im kommenden Jahrzehnt sein Projekt einer Einheitskunstschule – einer Vereinigung von so genannter hoher und angewandter Kunst – voran, gegen das sich die Akademie mit allen Mitteln wehrt.

1914 Gründung der »Neuen Secession«, zu der auch die späteren Professoren Bernhard Bleeker und Karl Caspar gehören. Beginn des Ersten Weltkriegs am 1. August. Beschlagnahmung von Räumen durch die Militärbehörden; im Folgejahr Aufstellung von Flaggenmasten vor der Akademie.

1919 Ausrufung der Räterepublik am 7. April. Aufgrund einer Vollmacht des »Volksbeauftragten für Volksaufklärung« Gustav Landauer wird die Akademie im April geschlossen; die Studenten bilden einen Ausschuss und stellen eine Liste neu zu ernennender Professoren auf. Der Lehrbetrieb wird aufgehoben und die Professorenschaft suspendiert, nach der Niederschlagung der Räterepublik aber wieder in Amt und Würden eingesetzt.

1920 Im Oktober besteht erstmals seit 1839 wieder die reguläre Möglichkeit, dass Frauen sich einschreiben können. Im Wintersemester sind unter den insgesamt 442 Studierenden 70 Neuimmatrikulierte, 17 davon Frauen.

1922 Statt Max Slevogt wird Karl Caspar für die Nachfolge von Heinrich von Zügel berufen, allerdings gegen den Widerstand des Direktors Carl von Marr und Teilen des Kollegiums, denen der gemäßigte Expressionist Caspar zu modern ist.

1924 Die ministerielle Aufforderung, verstärkt mit der Kunstgewerbeschule zusammenzuarbeiten, läuft schließlich darauf hinaus, dass German Bestelmeyer als Regierungskommissar die Aufsicht über die Kunstgewerbeschule übernimmt, deren Direktor Riemerschmid sich dieser Maßnahme verweigert und seinen Posten räumen muss.

1933 Hitlers „Machtergreifung" am 30. Januar. Die meisten Akademieprofessoren unterschreiben den Protest der Richard-Wagner-Stadt München, in dem Thomas Mann diffamiert wird. Gemäß der Verordnung des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« müssen die Professoren den Nachweis erbringen, dass sie eine »arische« Abstammung besitzen. Unter der Leitung von Josef Wackerle wird im März der erste Festzug zum »Tag der Deutschen Kunst« anlässlich der Grundsteinlegung für das „Haus der Deutschen Kunst" ausgerichtet. Hitler wird auf Beschluss des Kollegiums mit der neuen »Medaille für Verdienste um die Kunst« in Gold ausgezeichnet, die am Vortag übergeben wird. Die Akademieverfassung soll durch die Einführung des Führerprinzips ergänzt werden. Neue Bestimmungen über Aufnahme und Studium werden erlassen.

1934 Adolf Ziegler ist seit dem Vorjahr Vertragslehrer für Maltechnik und wird nun auf Wunsch Hitlers und gegen den Willen des Kollegiums als Professor berufen.

1935 Erlass der »Nürnberger Gesetze«, die eine Meldepflicht nach rassistischen Kategorien vorsehen. 211 männliche und 66 weibliche Studenten sind immatrikuliert; die Zahl »nichtarischer« Studierender beläuft sich bis 1938 auf ein bis zwei pro Jahr. Bestelmeyer und Ziegler werden zu Reichskultursenatoren ernannt, ein Jahr später auch Wackerle.

1937 Ziegler wird von Goebbels ermächtigt, »Verfallskunst seit 1910« aus Museumsbeständen zu beschlagnahmen. Hitler ernennt den Bildhauer Josef Thorak im April zum Professor mit dem Zusatz »Zugleich sichere ich Ihnen meinen persönlichen Schutz zu«. Das Kollegium der Akademie zieht seinen Antrag zurück, Hans Gött zum Ehrenmitglied zu ernennen, nachdem es erfahren hat, dass dessen Bilder bei einer Vorbesichtigung der »Großen Deutschen Kunstausstellung« auf Befehl Hitlers entfernt worden sind. Der propagandistische Festzug zum »Tag der Deutschen Kunst« wird, unter dem Motto »2000 Jahre deutsche Kultur«, durch die späteren Professoren Hermann Kaspar und Richard Knecht gestaltet. Mit der Androhung eines »unerbittlichen Säuberungskriegs« gegen die modernen Künstler eröffnet Hitler die erste »Große Deutsche Kunstausstellung« im »Haus der Deutschen Kunst«, in der seitens der Akademie Bleeker, Gulbransson, Hahn, Jank, Thorak, Wackerle, Ziegler und Zügel vertreten sind. Constantin Gerhardinger, Hermann Kaspar, Richard Knecht, Georg Müller, Anton (Toni) Roth und Franz Xaver Stahl, die auch unter den Teilnehmern sind, werden in den Folgejahren an die Akademie berufen. In der von Ziegler organisierten Ausstellung »Entartete Kunst« in den Münchner Hofgartenarkaden hängen Bilder des noch amtierenden Professors Karl Caspar, dem die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand mitgeteilt wird. Die Staatsschule für angewandte Kunst wird ebenfalls Akademie.

1938 An der Akademie für angewandte Kunst wird Walther Teutsch wegen seiner »Mischehe« mit einer Jüdin entlassen, ein Jahr später, aus dem gleichen Grund, Carl Sattler sowie, als »Halbjude«, Fritz Helmuth Ehmcke. Der 68jährige Julius Diez, ebenfalls mit einer Jüdin verheiratet, war 1937 auf Fürsprache Bestelmeyers nicht aus seiner Professur an der Akademie der Bildenden Künste entlassen, sondern schließlich in den altersbedingten Ruhestand versetzt worden. Auf seine Stelle wird Hermann Kaspar berufen, der von 1937 bis 1939 »Gesamtgestalter« der Propaganda-Umzüge zum »Tag der Deutschen Kunst« war sowie, als Günstling Albert Speers, Innenausstatter der Neuen Reichskanzlei; Kaspar soll auch die verbliebenen Schüler Karl Caspars übernehmen.

1942 Bestelmeyer stirbt und erhält ein pompöses Staatsbegräbnis. Nach seinem Tod übernimmt Bernhard Bleeker kommissarisch die Leitung der Akademie.

1943 Ziegler wird wegen »staatsabträglichen Verhaltens« verhaftet und für rund sechs Wochen im KZ Dachau interniert. Danach wird er seines Dienstes als ordentlicher Professor sowie Präsident der Reichskammer der Bildenden Künste enthoben und 1944 auf persönliche Weisung Hitlers in den Ruhestand versetzt, was ihm bis Kriegsende die Ruhestandsbezüge erhält.

1944 Bei einem Fliegerangriff im Juli wird die Akademie zerstört; bis auf die Umfassungsmauern und die Gewölbedecken im Erdgeschoss brennt sie aus. Dabei werden auch das Archiv, die umfangreiche Kostümsammlung und große Teile der Gipsabgusssammlung vernichtet. Im Oktober werden offiziell alle Kunsthochschulen geschlossen.

1945 Im Oktober Entlassung ehemaliger NSDAP-Mitglieder und Nazi-Künstler durch die Militärregierung; Adolf Schinnerer übernimmt die kommissarische Leitung. An der Akademie werden Bleeker, Knecht, Stahl und Thorak entlassen. Die Entlassung Hermann Kaspars wird wenig später zurückgenommen. Auch späterhin überstand Kaspar immer wieder aufflackernde Diskussionen über seine Rolle als exponierter Dekorateur des Nazi-Regimes, um der Akademie bis 1972 als auch politisch und gesellschaftlich einflussreicher Professor erhalten zu bleiben.

1946 Der Architekt Carl Sattler, bis 1933 Leiter der Kunstgewerbeschule und dort 1939 entlassen, wird zum Präsidenten der Akademie bestellt. Am 25. Juli wird das »Munich College of Fine Arts« wiedereröffnet und vier Tage später der Unterricht aufgenommen. Am 7. August findet die gemeinsame Eröffnungsfeier der drei Kunsthochschulen Münchens (bildende Kunst, angewandte Kunst und Tonkunst) im Schauspielhaus statt. Im September wird schließlich die Akademie der Bildenden Künste mit der Akademie für Angewandte Kunst zusammengelegt und firmiert nun als »Hochschule der Bildenden Künste in München«. Mit Else Brauneis, die seit 1923 Malerei, Perspektive und Darstellende Geometrie an der Kunstgewerbeschule unterrichtete, wird die erste und bis 1992 einzige Professorin an die Münchner Kunstakademie berufen. Die Berufung von Xaver Fuhr wird gegen den Willen der Akademie durch das Ministerium und die amerikanische Militärregierung durchgesetzt. Gründung der »Neuen Gruppe«, zu der die späteren Professoren Adolf Hartmann und Ernst Geitlinger gehören sowie die amtierenden Caspar, Heß, Schinnerer und Stadler.

1949 Seit dem 15. Juli führt die Akademie die Anschrift Hochschule der Bildenden Künste, München 13, Akademiestraße 2. Alle der zwischenzeitlichen Außenstellen sind wieder im Gebäude am Siegestor untergebracht, das noch lange nicht fertig gestellt ist.